Fantasy


Fantasy-Roman
Vom Zauberwald zum Stern des Glücks

6. Kapitel
Vertrocknete Wahrheiten

Am frühen Nachmittag erwachte der Künstler in seinem Elfenbeinturm. Schmunzelnd dachte er an sein vergangenes Nachtmahl, bei dem er sich gefühlt hatte, wie ein Märchenprinz aus 1001 Nacht. Wohlig räkelte er sich in seinem neuen Kaftan und blinzelte vergnügt durch Fenster, wo er seine inzwischen trockene Hose im Wind flattern sah. Wie praktisch war doch diese Welt mit einem bisschen Zauberei...

Mit müdem Seufzer rollte er sich wieder ein und schaukelte in der Hängematte weiteren Träumen entgegen...

Da war ihm, als wiege er sich in einem Himmelbett, dessen Kopfende an den Strahlen des Abendsterns und die Fußenden an den Strahlen des Morgensterns hingen. Ein leidenschaftliches Gefühl hatte sich seines Körpers bemächtigt. Er wälzte sich hin und her und dabei geriet das Schaukelbett in immer größere Schwingungen - bis es sich überschlug und er auf einem anderen Stern landete.

Ein leises Klingen holte ihn aus seiner Benommenheit. Als er die Augen aufschlug, blickte er in die lichten Kronen silberner Obstbäume, deren gläserne Blätter im Windhauch vibrierten und die Atmosphäre mit einem Gewirr unendlich zarter Klänge erfüllten. Um ihn herum war Sand, feiner weicher Sand.

„Wo bin ich hier?" fragte er verwirrt und ließ den diamantenen Zucker durch die Finger rieseln. Dann richtete er sich auf und sah um sich herum ein glitzerndes Wellenmeer, dessen Bewegungslosigkeit ihn irritierte. Gelegentlich tanzte eine Windbö in ihrem funkelgrauen Sandschleier daher und verschwand mit sanftem Geklirre zwischen den Bäumen. Die Luft war trocken und kühl und die sphärisch-toten Geräusche vermittelten ihm das Gefühl, auf dem Stern der Unendlichkeit gelandet zu sein. Der Maler erhob sich und sah sich genau an der Grenze zwischen Wüste und Savanne. Unschlüssig stand er da und blickte wie gebannt in den fremdartigen lichten Silberwald, den er nicht zu betreten wagte, und dann wieder hinaus in die schier endlose Diamantwüste.

Plötzlich bauschte sich am Horizont eine Düne auf, eine kleine Wirbelsturmbö löste sich aus dem Sandwall und kullerte wie eine aufgeplusterte Reifrock-Marionette heran. Einen Steinwurf vor ihm blieb sie stehen, wirbelte viel Sand auf und sprach: „Was suchst Du hier, Mensch, im Reich der ewigen Wahrheiten?" - „Ich suche meinen Weg", entgegnete der junge Mann im Traume, „wohin er mich auch führen mag." - „Wie bist Du denn hierher gekommen?" fragte die grau verschleierte Windsbraut weiter. - „Ich überschlug mich mit der Himmelbettschaukel", berichtete er. - „Dann hat Dich die Leidenschaft her getragen", sinnierte sie, „ein schwerer Weg liegt vor Dir."

„Ich will ihn gehen, wenn er ans Ziel meiner Wünsche führt", erklärte der Jüngling mit zitternder Stimme und sein Herz pochte bis zum Hals. - „Dann laufe dreimal um den klirrenden Wald ohne auch nur einmal inne zu halten. Denk dran in Deiner Spur zu bleiben, wenn Dir die teuflischen Geister erscheinen, oder Dich eine Fata Morgana lockt - sonst wirst Du im Sande stecken bleiben oder Dich im Nichts verlaufen. Nun folge mir auf der ersten Runde  - dann muss ich Dich verlassen, damit Du Dich bewähren kannst.

Ein schauerliches Sturmgeheul signalisierte den Beginn des Laufs. Das Sandgebilde plusterte sich auf und glitt im tänzelnden Sauseschritt vor ihm her.

Mit leichten Sprüngen folgte er ihr auf dem Bannkreis entgegen dem Uhrzeigersinn. Als er schon etwas erschöpft seine Schritte verlangsamte, brauste die Windsbraut auf, veranstaltete auf der Stelle einen kleinen Wirbel und huschte mit warnendem Pfeifen hinaus in die unendliche Wüste.

Als der Läufer die Stelle des Wirbels erreichte, sah er im Sand ein vertrocknetes Flussbett, auf dessen Seitenwällen Totenköpfe und Kreuze vor dem Verlassen des Weges warnten. Die Straße endete auf seinen eigenen Fußspuren. Er durfte sie nicht verlassen, wollte er den Bann um die ewigen Geheimnisse brechen...

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